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Wer war Otto Haesler?




Der Architekt und Baumeister otto haesler (1880-1962) war es, der den Bauhaus-Gedanken nach Celle brachte und in der hiesigen Architektur etablierte. Neben Walter Gropius und Hannes Meyer gehörte er zu den Pionieren und Wegbereitern des Neuen Bauens bzw. der Bauhaus-Architektur. Sein Schaffen als Baumeister und Siedlungsarchitekt brachte ihm internationale Reputation ein. In Celle arbeitete haesler von 1906 bis 1933 als freischaffender Architekt.

Eine Architektenkarriere in Celle

Funktional, bezahlbar und wohnbar

Die Weimarer Republik war geprägt von großer Wohnungsnot als Folge der Nachkriegszeit. haeslers Lösung: Er perfektionierte den sozialen Wohnungsbau. Seine Antwort auf den enormen finanziellen Spardruck war das konsequente Bekenntnis zur sozial verträglichen Funktionalität: Rational, bezahlbar und wohnbar.

haesler revolutionierte den Schul- und Wohnungsbau

Von 1906 bis 1933 hinterließ der Architekt otto haesler in Celle seine Spuren. Indem er die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner oder Nutzer in den Mittelpunkt seiner Planung stellte, revolutionierte er in den 20er Jahren den Wohnungs- und auch den Schulbau. In Celle kann man die Entwicklung vom jungen ambitionierten Architekten bis hin zum Städtebauer nachvollziehen. So hat haesler nicht nur die bekannten Bauten und Siedlungen des Neuen Bauens in Celle geschaffen, sondern auch mit großer Vielfalt an ganz unerwarteten Stellen gewirkt.

Sie werden otto haeslers Spuren an vielen Orten in Celle entdecken: innovative Architektur, klare Formensprache, der konsequente Einsatz der Grundfarben – strahlend auffällig und das Einbeziehen von in Celle hergestellten Stahlrohrmöbeln. Damit reiht haesler sich und Celle ein in die Reihe der Wegbereiter und Pionierstädte des Neuen Bauens – der Bauhaus-Architektur. 

Unsere Familie war groß, die Einnahmen klein. Wie dürftig fielen da meist unsere Wohnungen aus.

otto haesler über das Wohnen während seiner Kindheit

Geprägt durch die Kindheit

otto haesler wurde 1880 in München geboren. Der Vater hatte sich als Dekorationsmaler auf die Restaurierung von Kirchenmalereien spezialisiert, so dass die Familie regelmäßig umziehen musste. „Unsere Familie war groß, die Einnahmen klein. Wie dürftig fielen da meist unsere Wohnungen aus“, fasste haesler später diese unerfreulichen Wohnerfahrungen zusammen.

Sein Interesse für einen menschenwürdigen Wohnbau sowie das Baugewerbe waren jedenfalls geweckt. Daher besuchte er gegen den Willen seiner Mutter, der Vater war bereits verstorben, und ohne finanzielle Unterstützung von 1898 bis1903 die Baugewerksschulen in Augsburg und Würzburg. Am 31. März im Jahr 1903 erwarb er seinen Abschluss als Baugewerksmeister.

Otto Haesler - Leben und Werk

1880

Am 13. Juni wird Otto als Sohn des Malermeisters und Dekorationsmalers Rudolf Wilhelm Reinhold Haesler und Maria Haesler, geb. Aull, als ältestes von vier Kindern in München geboren. Die berufliche Tätigkeit des Vaters bedingt einen häufigen Wohnungswechsel.

1886-1981

Einschulung in Schliersee/Oberbayern. Grundschulbesuch in Sofia, Nürnberg, Würzburg, Berlin-Steglitz, Berlin-Groß Lichterfelde.

1891

Besuch der Realschule in Passau. Bevorzugte Fächer: Mathematik, Zeichnen und Musik.

1898-1901

Besuch der Baugewerkschule in Augsburg. Haesler verdient sich nebenbei seinen Lebensunterhalt als Bauzeichner u.a. beim Stadtbauamt Passau.

1901-1903

Fortsetzung an der Baugewerkschule in Würzburg mit erfolgreichem Abschluss.

1903

Sommer: Tätigkeit als „Maurereleve“ in Frankfurt am Main.

1903-1906

Mitarbeiter im Büro von Ludwig Bernoully in Frankfurt am Main.

Mitte 1906

Beteiligung an einem Wettbewerb für den Umbau des Kaufhauses Freidberg in Celle. Von den über 60 Bewerbern wird Haeslers Entwurf ausgewählt.  

1906

Beginn seiner selbständigen Tätigkeit in Celle

1908

Bürogemeinschaft mit Architekt Karl Dreher, Eröffnung eines Zweigbüros in Hannover 

1909

Aufnahme in die Freimaurerloge in Celle.

1910

Heirat mit Frida Harmuth, Tochter von Oskar Harmuth, dem Besitzer der Heidbräu-Brauerei in Celle. Aus der Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor: Bernd, Alfred, Burchard und Annerose.

1914

Erfolglose Kandidatur für das Amt des Bürgervorstehers

1915-1918

Einberufung zum Militärdienst. Fronteinsatz in Frankreich und Russland, Haesler führte während dieser Zeit ein Kriegstagebuch. 1917 erleidet er eine schwere Gasvergiftung.

1918

Beginn der planerischen Tätigkeit nach dem Krieg mit dem Entwurf für Kleinwohnungshäuser "Auf der Heese" (Carstenstraße)

1922

Obmann des Bau "Lüneburger Heide" im Bund Deutscher Architekten (BDA)

1923

Vorstandsmitglied der Volkshilfe-Gesellschaft Celle, Trägerin der Siedlungen Italienischer Garten und Georgsgarten

1925

Mitglied des Deutschen Werkbundes (DWB)

1926

Mitglied der Architektenvereinigung "Der Ring"

1927

Mitglied in der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen (RfG)

1930

Sachverständiger Berater im Vorstand des RFG, regelmäßiger Aufenthalt in Berlin.
Vorschlag für die Nachfolge von Hannes Meyer als Direktor des Bauhauses in Dessau; für Otto Bartning als Leiter der staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar und für Ernst May als Stadtbaurat von Frankfurt am Main.

1932

Gründung der »heimtyp a.g. celle« und dadurch Ausschluss aus dem BDA.
Beteiligung an der »Deutschen Bauausstellung« in Berlin.
Ausstellung »Bauten von otto haesler 1908-1932« in der Kestner-Gesellschaft Hannover.
Beteiligung an der Wanderausstellung »International Style« im Museum of Modern Art in New York.

1933

Angriffe gegen seine Person und Bauweise durch konservative und nationalsozialistische Architekten und Presse, Konkurs der "heimtyp ag"

1934

Auflösung des Büro Haesler in Celle. Umzug nach Eutin/Schleswig-Holstein

1936-1940

Um- und Neubauten von Wohn- und Geschäftshäusern in Eutin.

1941-1944

Arbeit im Hochbauamt der Stadt Lodz im besetzten Polen, ab Sommer 1943 als kommissarischer Amtsleiter. Unterbrochen wurde dies im Herbst 1942 für eine Anstellung im besetzten Lemberg (Ukraine) und anschließend Anfang 1943 zwei Monate mit Arbeiten für die Wehrmacht im besetzten Sewastopol (Krim).

1943

Vorplanungen für den Wiederaufbau von Sewastopol

1945-1946

längerer Krankenhausaufenthalt, Angebot der Leitung für den Wiederaufbau von Kiel

1946

Auftrag für den Wiederaufbau der zerstörten Altstadt von Rathenow in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone, Umzug nach Rathenow.

1950

Ernennung zum Professor für sozialen Wohnungsbau in Berlin.
Anlässlich des 70. Geburtstages Ausstellung im Institut für Bauwesen der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin, Angebot der Leitung der Hochschule für Baukunst in Weimar.

1951

Berufung zum Professor durch die Deutsche Bauakademie, Leiter der Abteilung Mechanisierung und Industrialisierung

1953

Umzug von Rathenow nach Wilhelmshorst/Potsdam

1957

Veröffentlichung der Autobiographie »Otto Haesler - Mein Lebenswerk als Architekt« in Berlin (Ost).

1959

 Heirat mit Erna Heer, seiner langjährigen Haushälterin.

1962

Nach einem Sturz und folgender Lungenentzündung stirbt Otto Haesler am 02.04.1962 im Alter von 82 Jahren in Wilhelmshorst.

Durch einen Wettbewerb nach Celle

Drei Jahre später gewann otto haesler den Wettbewerb für den Um- und Erweiterungsbau des Kaufhauses Freidberg in Celle am Markt 5 und 6 und zog für die Baubetreuung im März 1906 nach Celle.

„1906 übernahm ich den Umbau des Warenhauses Freidberg in Celle in der Absicht, nach Fertigstellung desselben nach Italien zu reisen und dort studienhalber tätig zu sein“, äußerte sich otto haesler 1938 rückblickend. „In Celle eröffnete sich eine so gute Praxis, dass ich dort verblieb und heiratete.“

Celler Wirtschaft wird auf den 26jährigen haesler aufmerksam

Tatsächlich wurden schnell Celler Kaufleute und Industrielle auf den 26jährigen aufmerksam. Als Mitglied der Freimaurerloge und durch die Heirat mit Frida Harmuth, der Tochter eines wohlhabenden Celler Brauereibesitzers, lernt er die einflussreichen Männer der Stadt kennen.

Die Erfolgsgeschichte otto haeslers in Celle wäre ohne den zeitgleichen Aufschwung der Keksfabrik Trüller und der Hostmann Steinbergschen Farbenfabriken in Klein Hehlen und am Wildgarten (heute 77er Straße) vielleicht gar nicht möglich gewesen.

Sowohl Senator Harry Trüller als auch Heinrich Steinberg unterstützten otto haesler von Anfang an mit Aufträgen. Dabei investierten die Industriellen nicht nur in ihre Villen und Geschäftshäuser, sondern auch in ihre Fabrikanlagen. Für die Keksfabrik Trüller baute haesler beispielsweise einen Schornstein, diverse Überdachungen und eine Müllgrube, errichtete aber auch diverse Anbauten, Silos und die Kraftzentrale, die heute, wenn auch im schlechten Zustand, noch existiert.


Wohnungsbau aus der Not heraus

Nach dem ersten Weltkrieg ging es darum, die große Wohnungsnot der einfachen Leute mit nur sehr dürftig vorhandenen Baumaterialien zu bekämpfen. So entstand in Celle die Siedlung „Auf der Heese“ und in Höfer eine Bergmannssiedlung. Die Reihenhäuschen waren sehr klein, verfügten weder über Badezimmer noch Zentralheizung aber über große Gärten zur Selbstversorgung.

Experimente mit Neuem Bauen und Durchbruch

haeslers immer schon vorhandenes Interesse am sozialen Wohnungsbau wurde durch die desolate Lage am Wohnungsmarkt neu beflügelt. In den 20er Jahren erforschte er einerseits die Minimalanforderungen an ein menschenwürdiges Wohnen und experimentierte mit modernen, günstigeren Baumaterialien und den Formen des Neuen Bauens. Die Siedlung Georgsgarten (1925/26) war der erste Zeilenbau der Weimarer Republik. Mit der Einweihung der Altstädter Schule im Jahr 1928 errang haesler Weltruhm. Die Kleinstwohnungssiedlung im Blumläger Feld ermöglichte armen Familien ein menschenwürdiges Wohnen für erschwingliche Mieten.

Trotz Angebot aus Dessau Celle treu geblieben

Kein anderer steht heute so mit seinem Namen für das Thema Bauhaus-Architektur wie Walter Gropius. 1919 als Kunstschule in Weimar gegründet, erfolgte 1926 der Umzug in die berühmten Bauhaus-Gebäude in Dessau. Als 1927 die eigentliche Lehre der Architektur als Gesamtwerk mit anderen Künsten eingeführt wurde, hatte otto haesler in Celle bereits 20 Jahre erfolgreich gebaut, gezeichnet, entworfen und gelebt. haesler selbst war nie am Bauhaus tätig.


Dennoch erreichte sein Schaffen 1930 einen Höhepunkt, als er das Angebot erhielt, die Stelle des Direktors am Bauhaus in Dessau anzunehmen. Doch haesler sagt ab und bleibt „seinem“ Celle treu. Mit unzähligen Großprojekten, die sein Architekturbüro mittlerweile in der Fachwerkstadt betreut, avanciert der gebürtige Münchner zum großen Vorbild für moderne Architektur. otto haeslers Bauwerke prägen bis heute das Stadtbild von Celle und sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Nationalsozialismus und späteres Wirken

In Celle gewannen die Nationalsozialisten ab 1930 immer mehr an Einfluss, die alle Formen des Neuen Bauens strikt ablehnten. Flachdachbauten gelten als entartet. „Durch die Hitler-Aera erfuhr meine Tätigkeit wieder eine jahrlange Unterbrechung“, beschreibt otto haesler die Situation in seinem Buch ´Mein Lebenswerk als Architekt´: „Meine Weigerung, Mitglied dieser Partei zu werden, zwang mich, meinen 27jährigen Arbeits- und Wohnsitz in Celle aufzugeben.“

1934 verlässt otto haesler Celle und zieht nach Eutin, wo er schon sehr bald wieder Aufträge erhält. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitet er in den besetzten Städten Lodz und Lemberg. Nach Kriegsende zieht haesler in die DDR. Dort knüpft er an seine Arbeit der 1920er Jahre an und erhält 1950 eine Professur für sozialen Wohnungsbau in Berlin. otto haesler stirbt im Alter von 82 Jahren in Wilhelmshorst bei Potsdam.

schon gewusst,...?!

…dass wenn es nach der bauhaus-bewegung der 1920er jahre gegangen wäre, wir nun alles klein schreiben würden?

das bauhaus hatte 1925 beschlossen, die kleinschreibung einzuführen. eine begründung war, dass zwei alphabete – eines mit großen und eines mit kleinen buchstaben – nicht nötig seien, da man ja schließlich auch nicht groß oder klein sprechen könnte. deshalb wird auch heute noch im zusammenhang mit bauhaus oftmals die totale kleinschreibung genutzt.